LISELOTTE VON DER PFALZ IN NOT
In schwierigen Situationen kann man unterschiedlich reagieren. Eine Möglichkeit: Gedanken ordnen und mit klarem Kopf weitermachen. Das beste Beispiel hierfür ist Liselotte von der Pfalz. Nach einer glücklichen Kindheit im Heidelberger Schloss hatte die Tochter des pfälzischen Kurfürsten 1671 aus politischen Gründen den jüngeren Bruder des französischen Sonnenkönigs heiraten müssen. Die Ehe mit Herzog Philippe I. von Orléans war wenig glücklich – aber die pfälzische Prinzessin genoss anfangs durchaus das glänzende Leben in der unmittelbaren Nähe von König Ludwig XIV. Bald aber kam es zu Konflikten am Hof. Und als Liselottes Bruder kinderlos starb, beanspruchte der französische Herrscher die Pfalz. Besonders tragisch – er begründete seinen Anspruch durch die pfälzische Prinzessin als Frau seines Bruders. Hilflos musste Liselotte von Frankreich aus zusehen, wie ihre Heimat verwüstet wurde.
EINE UNERMÜDLICHE HELDIN
Was half Liselotte in ihrer Bedrängung? Sie schrieb. Noch heute begründen ihre zahlreichen Briefe ihren Ruhm. Sie bieten nicht nur intime Einblicke in das Leben am französischen Hof, sondern zeigen Liselotte auch als tapfere Heldin, die sich in aller Not nicht unterkriegen lässt. Im Lauf der Jahre hatte sie wieder ein besseres Verhältnis zum älter gewordenen Sonnenkönig entwickelt – und war umso erschütterter, als der seit Jahrzehnten vertraute König am 1. September 1715, vor genau 305 Jahren, starb. Ihre Briefe dokumentieren das, etwa einer an ihre Halbschwester Louise: „Meine augen thun mir noch wehe vom abscheülichen weinen, wie ich von Versaille weg bin. Ich habe woll nicht ohne ursach geweint, (…) habe kein augenblick ruhe“. Über drei Jahrhunderte hin versteht man die Klugheit der Prinzessin die schreibt, dass nichts das Herz so erleichtere „alß denen sein leydt zu klagen, die man lieb hatt undt welche recht part ahn unßer unglück nehmen.“
HELD ODER HELDIN 2020 GESUCHT
Auf die historischen Vorbilder baut jetzt die Aktion „Held oder Heldin 2020 gesucht“ auf. Die Staatlichen Schlösser und Gärten fragen ihre Gäste: Wer ist für Sie heute eine Heldin oder ein Held? Wer hat sich in Corona-Zeiten heldenhaft verhalten? Wer hat das Beste aus der Krise gemacht und eine neue Idee entwickelt? Wer einer persönlichen Heldin oder einem Helden ein Dankeschön widmen will und eine Freude machen, kann sich per Mail heldenhaft2020@ssg.bwl.de oder per Post bei den Staatlichen Schlösser und Gärten melden und erhält eine Schlosscard als Dank und Geschenk für die ausgewählte Person. Das Gutscheinheft öffnet die Tore von 26 Schlössern, Klöstern und Gärten und gilt ab dem ersten Besuch ein Jahr lang. Und die gesamte Aktion ist interaktiv und partizipativ angelegt: Alle sind eingeladen, von den Heldinnen und Helden zu erzählen, die sie beschenken wollen – und sie damit in die neue „Heldengalerie 2020“ bei Facebook oder Instagram unter #heldenhaft2020 aufnehmen zu lassen.
DER HISTORISCHE HINTERGRUND
Mit der Aktion „Held oder Heldin 2020 gesucht“ knüpfen die Staatlichen Schlösser und Gärten an die Biografien von vier historischen Personen an, die an schwierigen Punkten der Geschichte ihr Leben und ihre Aufgaben meistern mussten – und jede steht für ein Datum. „Heldin 1689“ ist Liselotte von der Pfalz, die sich auch in schwierigen Situationen nicht scheute zu sagen, was sie richtig fand – oder auch grundfalsch, wie etwa den Angriff ihres Schwagers Ludwig XIV. auf die Pfalz, ihre Heimat. „Held 1780“ ist Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz, der die Wissenschaften förderte – unter anderem gehen so wichtige Alltagsdinge wie der Blitzableiter auf seine Einwirkung zurück. „Heldin 1818“ ist Königin Katharina von Württemberg, die sich in der Not sozial engagierte und außerdem die erste höhere Schule für Mädchen gründete. „Held 1819“ ist der württembergische König Wilhelm I., unter dessen Regierung das Land eine konstitutionelle Monarchie, ein Staat mit Verfassung, wurde, außerdem schaffte er die Leibeigenschaft ab, förderte die Landwirtschaft und begründete das Cannstatter Volksfest.